Der zweite Band der Romanserie rund um den Kriminalkommissar Wilhelm von der Heyden spielt im Berlin des Jahres 1856. Was geschah zu dieser Zeit in der Welt? Hier einige Beispiele:
Am 10. März wird der preußische Generalpolizeidirektor Hinckeldey in einem provozierten Duell erschossen. Karl August Varnhagen von Ense berichtet, dass sich die Herren von Rochow, von Prillwitz und ein weiterer Offizier verpflichteten, Hinckeldey durch Beleidigungen dazu zu zwingen, eine Forderung auszusprechen. Den Anlass hierzu gab eine Festveranstaltung, bei der die Gardeoffiziere die Anwesenheit von Polizeioffizieren für nicht hinnehmbar erklärten und von Hinckeldey eine „Eintrittskarte“ verlangten. Es entspann sich ein scharfer Wortwechsel zwischen Hinckeldey und Hans von Rochow, der Offizier und Mitglied des Herrenhauses war. Nach anderen Angaben kam er mit einem der Mitglieder in Konflikt, als er einen adeligen Spielklub schließen ließ. Es wird berichtet, dass Hinckeldey die Forderung in der sicheren Erwartung aussprach, der König werde die Durchführung des Duells verbieten. Angesichts des Ehrenkodexes jener Zeit war kaum eine Alternative geblieben. Hätte er die Beleidigungen widerspruchslos akzeptiert oder sich auf einen verbalen Protest beschränkt, wäre seine Stellung in der Öffentlichkeit unhaltbar geworden. Angeblich hat Hinckeldey noch am Morgen des Duells Ausschau nach einem Adjutanten Friedrich Wilhelms gehalten, der das Duell untersagen sollte. Der König blieb jedoch untätig. Er schrieb hierzu am 2. April 1856 an seinen Minister Ferdinand Otto von Westphalen: „Der Vorwurf, der mich selbst trifft, ist immer größer; denn ich wußte seit mehreren Tagen, daß es auf die Tötung Hinckeldeys abgesehen war, oder hatte wenigstens die Entschuldigung, es glauben zu können. Hier war aber eine höchst taktvolle und zarte Prozedur erforderlich, um den bereits verbreiteten Verdacht, ‚Hinckeldey könne kein Pulver riechen‘, nicht unwiderruflich zu etablieren. Das, ich gestehe es offen, hat mich zaghaft gemacht. Nun, Gott hat es so gefügt. Die Sache ist nicht gutzumachen, aber – der Sieg seiner Feinde ist zu mindern.“
Von Rochow erschoss Hinckeldey. Der Arzt Ludwig von Hassel war Zeuge: „Rochow blieb unverletzt stehen, Hinckeldey dagegen machte eine halb zirkelartige Bewegung und sank dann in die Arme Hassels und Münchhausens, die ihn sanft zur Erde gleiten ließen.“
Rochow wurde zu vier Jahren Festungshaft verurteilt, die seine Ehre und Reputation nicht beeinträchtigten. Nach einem Jahr wurde er begnadigt. Hinckeldey wurde mit allen Ehren begraben. Dem Trauerzug schlossen sich neben dem Prinzen Wilhelm hunderttausend Bürger Berlins an, die ihren Hass auf den gefürchteten Polizeidirektor rasch vergessen hatten.
Am 30. März endete mit dem dritten Pariser Frieden der Krimkrieg, der Europa seit 1853 in Atem gehalten hatte. In diesem Zusammenhang wurden in Großbritannien das erste Mal das Victoria-Kreuz vergeben.
In Russland fand die Krönung und Salbung des neuen Zaren Alexander II. (1818-1881) statt – etwa anderhalb Jahre nach der Thronbesteigung,
In der französischen Hauptstadt wurde im April die „Deklaration von Paris“ veröffentlicht, in der Piraterie international als illegal geächtet wurde. In dieser Deklaration über das Seerecht war offiziell die Abschaffung des Kaperns bzw. entern fremder Schiffe beschlossen worden. Außerdem sah die „Deklaration von Paris“ vor, dass die neutrale Flagge eines Schiffes auch dessen feindliche Ladung schützte und dass neutrale Ladung an Bord feindlicher Schiffe nicht eingezogen werden dürfe. Die Erklärung gilt als der erste multilaterale Vertrag zum Prisenrecht.
Spektakuläres geschah in den USA. Dort begann die Anhebung von Chicago. Die Stadt lag durchschnittlich nur ungefähr 5 Fuß (1,5 m) über dem Michigansee. Südlich und nördlich des Ausläufers des Chicago Rivers war die Oberfläche zwischen knapp unter und über 3-4 Fuß (ca. 1 m) über dem Spiegel des Sees. Im Westen von Chicago waren es 10-12 Fuß (3 bis 3,6 m). Dort war im 19. Jahrhundert jahrelang nur wenig oder kein natürlicher Abfluss von der Oberfläche möglich gewesen. Das sumpfige Fundament, auf dem Chicago stand, hatte zur Folge, dass das stehende Wasser gärte und Epidemien verursachte. Sechs Jahre hintereinander war Chicago von Typhus, Dysenterie und Cholera heimgesucht worden. Dem letzten Cholera-Ausbruch von 1854 waren mehr als 1.400 Menschen zum Opfer gefallen. Nachdem 1855 ein Gesetz zur Einsetzung einer Abwasserkommission verabschiedet worden war, wurde in jenem Jahr 1856 vom Stadtrat beschlossen, im Zuge eines stadtweiten Abwassersystems die Stadt schrittweise anzuheben. Abläufe wurden gelegt, Straßen und Gehwege wurden mit Erde und neu aufgebaut. Nach und nach, in einem Zeitraum von insgesamt zwanzig Jahren, entstand so eine Stadt auf zwei Ebenen. Im Jahr 1858 kam es dann sogar zur Anhebung von Backsteingebäuden. Letztlich war die Anhebung von Chicago eine gewaltige technische Leistung, mit der zwar nicht alle einverstanden gewesen waren, aber rechtliche Schritte dagegen blieben erfolglos.
Erneute Kriegsgefahr: Am 13. Dezember bricht Preußen die diplomatischen Beziehungen zur Schweiz wegen des Streits um das Fürstentum Neuenburg ab und ordnet für den 2. Januar 1857 die Mobilmachung von 150.000 Mann an. Frankreich ergreift für Preußen Partei und Napoléon III. vermittelt Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien, nachdem Großbritannien eine Unterstützung der Eidgenossenschaft signalisiert hat. Erst im Mai 1857 kann mit dem Vertrag von Paris der Konflikt beigelegt werden.
Wirtschaftsmeldungen: Im März ermöglichen irische und belgische Kapitalgeber die Gründung der Steinkohlenzeche Shamrock in Herne. Einen Monat später wird die Actiengesellschaft der bayerischen Ostbahnen gegründet, nachdem am 19. März durch Gesetz die Bildung privater Eisenbahngesellschaften in Bayern wieder erlaubt worden war. Im Mai erfolgt in Alexisbad die Gründung des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI). Alfred Escher gründet am 5.Juli in Zürich die Schweizerische Kreditanstalt und macht die Stadt damit zum führenden Bankenstandort und Wirtschaftszentrum der Schweiz. Im Oktober 1856 gründet Gustav Langenscheidt in Berlin den gleichnamigen Verlag. Im Dezember nimmt in einer Villa am Hafen von Monaco die Spielbank Monte-Carlo den Betrieb auf. Die Lizenz ist am 26. April durch Fürst Florestan an die Franzosen Napoléon Langlois und Albert Aubert vergeben worden. In Deutschland wird das erste Mal nach Erdöl gebohrt.
Kunst und Kultur: Camille Pissarro malt Zwei Frauen am Meer ins Gespräch vertieft als Teil einer Gruppe von insgesamt neun signierten Werken mit „tropischen“ Motiven aus dem Jahr 1856. Harriet Beecher Stowes zweiter Roman Dred. a tale of the great Dismal Swamp erscheint zum ersten Mal, ebenso in der Zeitschrift La Revue de Paris Gustave Flauberts Roman Madame Bovary. Im Februar gründet der Kammermusiker Tröstler in Dresden ein privates Konservatorium, aus dem die Hochschule für Musik Carl Maria von Weber hervorgeht. Jacques Offenbachs Operette La Rose de Saint-Flour wird am Pariser Théâtre des Bouffes-Parisiens uraufgeführt.
Katastrophen: Am 23. Januar verschwindet der Passagier-Raddampfer Pacific auf dem Weg von Liverpool nach New York mit bis zu 240 Menschen an Bord spurlos. Am 10.August richtet ein Hurrikan in Louisiana schwere Schäden an. Allein bei der Überspülung von Last Island kommen über 200 Menschen ums Leben. Im September sinkt der amerikanische Raddampfer Niagara auf dem Michigansee wenige Meilen vor Port Washington nach einem Brand. 60 bis 70 Passagiere sterben bei dem Unglück. Im November kollidiert der französische Passagierdampfer Lyonnais bei Nantucket mit einer Bark und sinkt am darauf folgenden Tag. 130 der 146 Menschen an Bord sterben.